100-jähriger früherer KZ-Wachmann angeklagt

Ein ehemaliger Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen ist nach NDR-Informationen wegen Beihilfe zum Mord angeklagt worden. Er ist heute 100 Jahre alt – aber laut Staatsanwaltschaft verhandlungsfähig.

Von Julian Feldmann, NDR

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat einen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen wegen Beihilfe zum Mord in 3518 Fällen angeklagt. Das bestätigte das Landgericht Neuruppin auf NDR-Anfrage. Der Mann soll von 1942 bis 1945 im KZ Sachsenhausen in Oranienburg nördlich von Berlin „wissentlich und willentlich“ Hilfe zur grausamen Ermordung von Lagerinsassen geleistet haben. Er soll bis Februar 1945 dem Wachbataillon des KZ angehört haben.

Der Beschuldigte lebt nach NDR-Informationen in Brandenburg. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist der Mann trotz seines hohen Alters von 100 Jahren verhandlungsfähig. Das Landgericht Neuruppin muss jetzt prüfen, ob es die Anklage gegen den Mann zulässt.

Mehrere Anklagen wegen Beihilfe zum Mord

In den vergangenen Jahren hatten Ermittler bundesweit mehrere ehemalige Wachleute von Konzentrationslagern wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Seit dem Urteil gegen den ehemaligen KZ-Wachmann John Demjanjuk ist dies wegen einer geänderten Rechtspraxis möglich. Nun wird die einfache Wachtätigkeit in einem KZ, in dem systematisch Menschen ermordet wurden, als Beihilfe zum Mord gewertet und von den Staatsanwaltschaften verfolgt.

Im vergangenen Jahr war der ehemalige KZ-Wachmann Bruno D. vom Landgericht Hamburg zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er war nachweislich im KZ Stutthof als SS-Aufseher tätig und leistete dort nach Ansicht des Gerichts Beihilfe zum Mord an 5232 Menschen.

Außerdem war in der vergangenen Woche bekannt geworden, dass in Schleswig-Holstein auch eine ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig angeklagt wurde. Der 95-jährigen Irmgard F. wird wegen ihrer Tätigkeit als Schreibkraft Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen vorgeworfen.

Quelle: tagesschau.de | 08.02.2021